Menschen tragen eine Erdkugel

Siedlungsabfall

Die Vermeidung und Verwertung von Abfällen haben nach derzeitigem Recht absoluten Vorrang vor der Beseitigung auf Deponien oder der Vernichtung in Verbrennungsanlagen. Wie wichtig dieser Grundsatz bei begrenzt vorhandenen Ressourcen ist, wird derzeit am Ölmarkt deutlich. Urplötzlich wird allen Beteiligten klar, dass es so nicht weitergehen kann und Alternativen, sowie die konsequente Umsetzung aller Energiesparmöglichkeiten, dringend notwendig sind. Beim Siedlungsabfall steht der Vorrang der Vermeidung zwar auch als Ziel auf dem Papier, aber mit der Umsetzung hapert es in der Praxis noch sehr. Da gibt es Städte und Gemeinden, deren Bruttoabfallaufkommen über 500 kg pro Einwohner und Jahr liegt, während anderenorts Kommunen Werte von unter 300 kg erreichen. Besonders negativ fällt bei den Gesamtzahlen der Regierungsbezirk Düsseldorf auf. Die Vorlage des Abfallwirtschaftsplans der Bezirksregierung Düsseldorf im Jahre 1998 machte dies deutlich. Trotz unbestreitbarer Fortschritte in der Abfallpolitik der Landesregierung konnte man auf der Ebene der Bezirksregierung noch keine Abkehr von der konventionellen Abfallwirtschaftsplanung erkennen.

 

 

Professor Wassermann nimmt Stellung zum Gutachten

Dies hat die BUND-Regionalgruppe Düsseldorf veranlasst, die Erstellung ein Gutachtens zu Ökologisierung der Siedlungsabfallentsorgung anzuregen. Finanzielle und fachliche Unterstützung gab es von den Umweltverbänden "Das Bessere Müllkonzept" und "Naturschutzbund NRW -NABU". Den Auftrag erhielt das ÖKO-Institut Darmstadt, dass jetzt das Ergebnis vorstellte. Lob zur Studie gibt es im Geleitwort vom Kieler Professor Dr. Ottmar Wassermann: "Den Autoren und den Auftraggebern gebührt unser aller Dank für eine vorbildliche Analyse des Müllbereiches. Sie bestätigt, was alle diejenigen unter uns, die durch verantwortungsbewusstes Handeln das eigene Müllaufkommen ständig erheblich vermindern, selbst erfahren haben: Hohe Vermeidungs- und Verwertungspotenziale sind vorhanden." Allerdings enthält das Vorwort von Professor Wassermann auch massive Kritik, nicht am Gutachten, sondern an den Fehlplanungen der Vergangenheit in Richtung Müllverbrennung und an der rot-grünen Regierung in NRW, die die Chance verpasst hat, ein solches Gutachten selbst in Auftrag zu geben.

Beim Gutachten des ÖKO-Instituts bildeten die Daten aus dem Regierungsbezirk Düsseldorf die Basis für die Analyse. Als Referenz für die Beurteilung dienten bundesweite Recherchen zu vorbildlichen Abfallkonzepten und damit auch tatsächlich erreichbare Ziele und realistische Restabfallmengen. Erstmals wird ein umfassendes Handlungskonzept vorgelegt, welches Kreisen, Kommunen, den politischen Entscheidungsträgern und Bürgern den Weg zur Abfallvermeidung und -verwertung weist. Von daher kann es in der Parteiarbeit vor Ort gut genutzt werden kann.

 

Auf Basis der Bestimmung des § 9 Abs. 2 im Landesabfallgesetz NRW, die besagt, dass bei der Bemessung der Abfallentsorgungsgebühren wirksame Anreize zur Vermeidung, Getrennthaltung und Verwertung zu schaffen sind, fordert das Gutachten generell ein computergestütztes, mengenabhängiges Gebührensystem. Hier haben eine Vielzahl von Kommunen in der Vergangenheit den Nachweis erbracht, dass sich dadurch die Restabfallmengen erheblich reduzieren lassen. Innerhalb weniger Jahre konnten Minderungen von über 50 % erreicht werden. Als Beispiel dient u. a. die Gemeinde Gangelt. Dort wurde im Januar 1996 das Volumenzählsystem eingeführt, bei dem die Bürger die Restmülltonnen nur an die Straße stellen, wenn die Tonne voll ist.

 

Wertstoff- und Müllmengen in kg / je Einw. / Jahr (Einw. 1998 = 10.894) - Gangelt -

Jahr

Papier

Glas

Grün- und Bioabfall 1)

Gelber

Sack

Summe

Wertstoffe

Sperr-

müll

Haus-

müll

Haus- + Sperrmüll

Summe

Abfälle 2)

1994

55,1

23,8

9,0

16,4

104,3

40,1

174,5

214,6

318,9

1995

57,6

23,8

9,2

19,5

110,1

66,7

181,1

247,8

357,9

1996

60,4

24,1

29,7

24,6

138,8

21,7

151,2

172,8

311,6

1997

65,6

27,3

44,0

28,7

165,5

22,2

79,6

101,8

267,3

1998

68,6

28,2

38,6

29,5

164,9

18,3

76,9

95,2

260,1

1999

69,7

27,9

21,5

32,0

151,1

36,1

75,7

111,8

262,9

1) Nur Grünschnitt, Komposttonne noch nicht eingeführt; 2) inkl. Kleingewerbe;

 

 

Die Kommune selbst beurteilt das System der Computererfassung als gut. Dies ist verständlich, denn im-merhin hat man beim Haus- und Sperrmüll eine Minderungsquote von 61,6 % im Vergleich zum Zeitraum vor der Einführung erreicht und dies, obwohl die Komposttonne noch nicht eingeführt wurde. Auch die Gesamtsumme der Abfälle konnte erheblich reduziert werden. Deutlich gestiegen sind aber die eingesammelten Wertstoffmengen.

Nun wird von einigen Gegnern immer wieder die Behauptung aufgestellt, dass sich auch durch andere Maßnahmen eine deutliche Reduzierung der Restabfallmengen erreichen lasse.

oekoinstitut-willi.jpgWilli Hennebrüder

Aus diesem Grunde hat Willi Hennebrüder vom BUND Lemgo (Mitautor der Studie) einmal die Abfallmengenentwicklung im Kreis Lippe untersucht. Dieser gilt wegen seiner erfolgreichen Abfallpolitik als vorbildlich. Dennoch führten die Gemeinde Leopoldshöhe (ca. 16.000 Einwohner) im Juli 1997 und die Stadt Detmold mit (ca. 74.000 Einwohner) im Januar 1998 das Wiegesystem ein. Die übrigen Kommunen behielten ihr altes Sammelsystem bei. Die Daten zeigen, dass die Computererfassung auch hier noch wirksam wird. Während alle 14 übrigen Kommunen im Kreis Lippe von 1997 bis 1999 lediglich eine Minderung von 2,5 % beim Rest- und Sperrmüll erreichten, betrug die Minderung in Leopoldshöhe und Detmold jeweils rund 30 %. Mit nur 75 kg pro Einwohner und Jahr erreicht Leopoldshöhe einen Wert bei Rest- und Sperrmüll, den man vor Jahren kaum für möglich hielt.

 

Gleichstrukturierte Kommunen anderenorts weisen da oftmals noch mehr als die doppelte Menge auf. Um Vergleiche zu ermöglichen, wurden im Gutachten von einer Vielzahl von Kommunen aus der gesamten BRD über mehrere Jahre die Abfallströme dokumentiert. Ausgehend von Positivbeispielen ist man beim Naturschutzbund fest davon überzeugt, dass bundesweit noch eine Verminderung der Rest- und Sperrmüllmenge von mehr als 30 % zu erreichen ist.

 

Quelle: Abfallbeseitigungs-GmbH, Lippe (in den Abfallmengen nicht enthalten: Kleinanlieferungen auf der Deponie, Biomüll grüne Tonne, Sortierreste aus Wertstoffsammlung, Sondermüll, getrennt erfasste Metall- und Elektrofraktion.

Bei der Konzeption des Gebührenmodells mit Hilfe der Computererfassung kommt es aber auch auf die Feinheiten an. Um möglichst große Auswirkungen des verursacherbezogenen Ansatzes zu erreichen, sollte nach Auffassung des ÖKO-Instituts die Grundgebühr für die Haushalte lediglich 10 % bis 25 % der Fixkosten umfassen.

Als weiteren Kritikpunkt der Systemgegner werden die Kosten angeführt. Was die Kosten der Computererfassung anbelangt, dürften sie aufgrund der technischen Entwicklung und des massenhaften Einsatzes von Computerchips kaum noch ins Gewicht fallen. Die Einsparungen dagegen können beträchtlich sein. Aufgrund des geringeren Abfallaufkommens, durch die Tourenoptimierung sowie durch die Reduzierung von sogenannter Schwarzentsorgung (infolge der Identifikation aller Behälter ist ein Marken- und Tonnendiebstahl oder die Nichtanmeldung einer gekauften Tonne wirkungslos) können erhebliche Kosten eingespart, bzw. höhere Einnahmen erzielt werden, die die Computerausstattungskosten übersteigen, zumal diese über mehrere Jahre abgeschrieben werden.

Im Gutachten nehmen die Themen Abfallvermeidung und Wertstoffsammlung einen großen Stellenwert ein. Die Computererfassung schafft zwar die finanziellen Anreize, allerdings ist auf der Gegenseite auch ein entsprechendes Angebot notwendig, um die Vermeidungsquoten z. B. durch Abfallberatung zu erhöhen oder die Wertstoffe in geeignete Bahnen zu lenken. Bei der Abfallberatung sieht das ÖKO -Institut die Notwendigkeit, je 10.000 Einwohner eine qualifizierte Beratungsstelle zu schaffen.

 

 

Um den Kommunen konkrete Hilfen zu geben, wurde im Gutachten eine Auflistung umgesetzter Maßnahmen zur Abfallvermeidung und Abfallverwertung vorgenommen, die durch bundesweite Recherchen zusammengetragen wurden. Projekte zur Abfalltrennung auf Baustellen, die Nutzung des Internets zur Abfallberatung, Projekte zur Gemeinschaftskompostierung im Mehrfamilienhausbereich und sogar ein Abfallwirtschaftsinformationssystem aus der Steiermark in Österreich werden genannt.

Neu im Gutachten ist der Vorschlag, im Rahmen eines Pilotversuchs einmal zu prüfen, ob statt einer reinen Kostenabrechnung durch die Entsorgungsfirmen es nicht möglich ist, entsprechend den Vorrangzielen Abfallvermeidung und Wertstoffsammlung auch einen Teil der Vergütung für die Entsorgungsfirmen festzulegen. Der Gedanke dabei ist, wenn sich Müllvermeidung und Wertstoffsammlung für die Firmen besser lohnt, als die Einsammlung möglichst großer Müllmengen, wird man aus marktwirtschaftlichen Interessen heraus alle Möglichkeiten ausschöpfen, diese Ziele auch zu erreichen und dies möglichst schnell. Damit könnte, entsprechend dem Verhalten in der Industrieproduktion, eine kontinuierlicher Prozess zur Minimierung von Restmüllmengen in Gang gesetzt werden.

Die Studie enthält zudem eine Neubewertung der Entsorgungswege MVA, MBA und ihrer möglichen Kombinationen unter Berücksichtigung der aktuellen Erkenntnisse. Fazit u. a.: ?Ob sich für die anaerobe mechanisch-biologische Behandlung gegenüber der Müllverbrennung für die bilanzierten Umweltprobleme insgesamt signifikante Unterschiede ergeben, lässt sich mit Ökobilanzen nicht abschließend klären. Bei den Problemfeldern Treibhauseffekt, langlebige krebserregende Schadstoffe sowie bei den Bleiemissionen schneidet die mechanisch-biologische Behandlung deutlich besser ab, beim Ozonabbau, den kurzlebigen krebserregenden Schadstoffen und Quecksilber weist dagegen die Müllverbrennung z.T. klare Vorteile auf.?

Günter Dehoust vom ÖKO-Institut und Mitautor der Studie ist daher der Auffassung:

"Durch die zielstrebige und konsequente Umsetzung von Maßnahmen zur Vermeidung und Verwertung von Abfällen kann mehr zum Schutz der Umwelt erreicht werden, als durch sehr aufwendige und teuere Verfahren zur Behandlung der Reste. Die Ergebnisse des Gutachtens zeigen deutlich, dass noch dringender als Vorgaben zu der Art der Abfallbeseitigung solche Regelungen gebraucht werden, welche Maßnahmen zur Vermeidung und Verwertung von Abfällen beinhalten."

Unter Berücksichtigung der Wassergefährdung und der derzeitigen Praxis des Einbaus von MVA-Aschen in den Straßenbau, sowie weiterer Aspekte, wird die MBA-Technologie gegenüber der MVA insgesamt als überlegen angesehen.

Die Studie hat auch noch nach 5 Jahren nichts an Aktualität verloren. Sie kann zum Preis von 12 ? bei der BUND-Ortsgruppe Lemgo bestellt werden oder ist hier erstmals auch als Download erhältlich:

Möglichkeiten der Ökologisierung der Siedlungsabfallentsorgung (1 MB)

Weitere Informationen zu verschiedensten Themen des Umweltschutzes bietet das
Öko-Institut Darmstadt e.V., Rheinstraße 95, D-64295 Darmstadt,
www.oeko.de