Menschen tragen eine Erdkugel

Fachbeitrag gesplittete Abwassergebühren

 
 

Fachbeitrag von Willi Hennebrüder, Lemgo
Mitglied im Bundesarbeitskreis Wasser beim
BUND für Umwelt- und Naturschutz Deutschland

 

Bei der gesplitteten Abwassergebühr werden die gesamten Kosten der Entsorgung nach zwei Maßstäben verteilt. Es wird also keine zusätzliche Niederschlagswassergebühr eingeführt. Dies wäre rechtlich auch nicht zulässsig. Die Kosten der Niederschlagswasserbeseitigung werden bei der gesplitteten Abwassergebühr nach der versiegelten Fläche mit Kanalanschluss berechnet und die Kosten der Schmutzwasserbeseitigung wie bisher nach dem Schmutzwasserverbrauch. Bei Einheitsmaßstab werden sowohl die Kosten der Niederschlagswasserentsorgung, als auch die Kosten den Schmutzwasserentsorgung nach dem Frischwasserverbrauch berechnet.

Im Jahr 2003 wurde in zwei Beiträgen (Tillmanns, Hennebrüder) der Kommunalen Steuerzeitschrift "Ist die gesplittete Abwassergebühr notwendig?" bereits einmal aufgezeigt, warum die Einführung der gesplitteten Abwassergebühr sowohl aus ökonomischer, wie auch aus ökologischer und aus rechtlicher Sicht notwendig ist. Diese Beiträge wurden inzwischen auch in den Driehauskommentar zum KAG aufgenommen: "..Diese Rechtssprechung führt dazu, dass eine Einheitsgebühr nach dem Frischwassermaßstab kaum noch zu halten sein wird (für die gesonderte Niederschlagswassergebühr: Tillmanns in KStZ 2001,103; Hennebrüder in KStZ 2003,5; zur Einführung und Berechnung: Dudey in GemHH 2002, 224, Cosack/Dudey in GemHH 2004,249)."

Dennoch gibt es nach wie vor Gerichte, die den Frischwassermaßstab akzeptieren, wenn eine homogene Bebauung vorliegt. Aus diesem Grunde hat der Bundesarbeitskreis Wasser im BUND für Umwelt und Naturschutz den Professor für Mathematik und Statistik, Dr. Norbert Heldermann, Lemgo, um ein Gutachten zu dieser Berechnungsmethode gebeten. Im Gutachten wird nun noch einmal deutlich gemacht, dass eine Umlage der Niederschlagswasserkosten nach dem Frischwasserverbrauch gegen mathematische Grundsätze verstößt. Der Kernsatz im Gutachten lautet:

"Aus mathematischer Sicht ist eine Berechnung von Kosten der Niederschlagswasserbeseitigung bei homogener Bebauung nach dem Frischwasserverbrauch nur akzeptabel, wenn auch der Frischwasserverbrauch in allen Haushalten annähernd gleich wäre."

Wenn die Kommune nun weiterhin den Frischwassermaßstab beibehalten möchte, muss sie entweder ganz auf die Umlage der Niederschlagswasserkosten verzichten, was undenkbar ist oder den Beweis erbringen, dass auch der Frischwasserverbrauch in der Kommune annähernd gleich ist, was wiederum unmöglich ist. Angesichts der Diskussion in Sachen PISA-Studie ist es schon mehr als peinlich wenn bundesweit Anwälte und Gerichte seit Jahren dokumentieren, dass sie einfachste mathematische Grundsätze der Verteilungsrechnung nicht beherrschen. Es besteht, wie im Bericht aus dem Jahre 2003 bereits nachgewiesen, kein Zusammenhang zwischen der versiegelten Fläche der Haushalte und dem Trinkwasserverbrauch. Die Gerichte könnten genauso gut akzeptieren, dass die Kosten der Niederschlagswasserentsorgung nach dem Stromverbrauch eines Haushalts umgelegt werden. Auch dies wäre ein willkürlicher Maßstab. Dazu ein einfaches Rechenbeispiel:

Gegeben sind die Häuser A = Einfamilienhaus, B = Zweifamilienhaus (Wohnungen B1,B2) und C = Dreifamilienhaus (Wohnungen C1,C2,C3) mit jeweils 252 qm versiegelter Fläche mit Kanalanschluss. Solche Bauweisen werden von den Gerichten als homogene Bebauungsstruktur akzeptiert. Der Trinkwasserverbrauch je Person wird mit 60 cbm pro Jahr angenommen (bei einem Trinkwasserverbrauch von z.B. 40 cbm je Person/a wäre die Kostenverteilung gleich). Die Kosten für die Niederschlagswasserbeseitigung werden mit 756 Euro angesetzt. Dies führt bei der Einführung der gesplitteten Abwassergebühr zu einer Niederschlagswassergebühr von 1 Euro je qm versiegelter Fläche. Die Tabelle zeigt nun, wie die Kostenverteilung beim Frischwassermaßstab und bei der gesplitteten Abwassergebühr aussehen würde.

Haushalte qm versiegelte Fläche Anzahl der Personen je Haushalt cbm Trink-Wasserverbrauch Kostenanteile Niederschlagswasser
    anteilig je Haushalt     Frischwassermaßstab Gesplittete Abwassergebühr
A 252 252 1 60 36,00 Euro 252,00 Euro
B1 252 126 3 180 108,00 Euro 126,00 Euro
B2 126 5 300 180,00 Euro 126,00 Euro
C1 252 84 2 120 72,00 Euro 84,00 Euro
C2 84 4 240 144,00 Euro 84,00 Euro
C3 84 6 360 216,00 Euro 84,00 Euro
  756   1.260 756,00 Euro 756,00 Euro

Der Vergleich zeigt, dass der von den Gerichten akzeptierte Frischwassermaßstab mit der Kostenverteilung nach dem Verursacherprinzip nichts zu tun hat und willkürlich ist. Auch ist erkennbar, dass beim Frischwassermaßstab Familien mit Kindern massiv belastet werden und die Entsorgungskosten für Kleinhaushalte, und unter Berücksichtigung der Industrie- und Handelsgebäude, natürlich auch für diese finanzieren. Mit einer kinderfreundlichen Familienpolitik hat dies nichts zu tun. Zur Verdeutlichung des bisher akzeptierten Unsinns der Hinweis, dass bei angenommener homogener Bebauung die Umlage der Niederschlagswasserkosten nach der Körpergröße des Hauseigentümers eher dem vom Gesetzgeber geforderten Wirklichkeitsmaßstab bzw. einem wirklichkeitsnahen Wahrscheinlichkeitsmaßstab (= Kostenverteilung nach tatsächlicher Inanspruchnahme einer Leistung) entspricht, als der Frischwassermaßstab, denn die Körpergröße der Hauseigentümer dürfte relativ gleich sein.

Ein zweiter Punkt im Gutachten von Professor Dr. Heldermann erläutert, dass aufgrund der Baukosten im Kanalbereich die Kosten für die Bereiche Niederschlagswasser mit ca. 60 % und Schmutzwasser mit ca. 40 % anzusetzen sind. Unter Berücksichtigung der 100 %tigen Kostenanteile bei Regenrückhaltebecken für den Niederschlagswasserbereich und anteiliger Klärwerkskosten ist erkennbar, dass Kostenanteile im Niederschlagswasserbereich von unter 35 % undenkbar sind. Da die Gerichte bereits bei einem Kostenanteil von 12 % eine gesonderte Berechnung in Form der gesplitteten Abwassergebühr verlangen, gibt es bundesweit keine Kommune, bei der die Abrechnung noch nach dem Maßstab Frischwasserverbrauch erfolgen kann.

Fazit: Die Einführung der gesplitteten Abwassergebühr ist zwingend notwendig.

Damit nun nicht bundesweit weiterhin die Kommunen und die Gerichte mit Widersprüchen und Klagen überzogen werden oder Kommunen für Gutachten zum Nachweis einer homogenen Bebauung 10.000 Euro und mehr ausgeben, wäre es wünschenswert, dass der Gesetzgeber in entsprechenden Landesgesetzen nur noch eine gesplittete Abwassergebühr akzeptiert. Den Kommunen kann man nur dringend empfehlen, sofort ihre Gebührenberechnung auf die gesplittete Gebühr umzustellen.

In diesem Zusammenhang sei noch auf 2 wichtige Punkte hingewiesen. Ausgehend von den EU-Richtlinien und den Landeswassergesetzen wird gefordert, dass von den Gebühren finanzielle Anreize für einen sorgsamen Umgang mit dem Gut Wasser ausgehen sollen. Dies ist nur erreichbar, wenn auf Grundgebühren verzichtet wird. Dies gilt auch für den Anreiz zur Entsiegelung von Flächen. Angesichts der prognostizierten Zunahme von Starkregenereignissen im Rahmen der Klimaveränderung ist es das Gebot der Stunde entsprechende Anreize zu schaffen. Die Folgekosten bei Überschwemmungen werden ansonsten die Volkswirtschaft in einem unverträglichen Maße belasten.

Schon 1995 haben die Autoren Adams, Borgwadt und Lenger in der Fallstudie "Städtebauliche Bedingungen für ein umweltverträgliches Entwässerungskonzept - Hameln/Tündern" nachgewiesen, dass die Kosten eines naturverträglichen Entwässerungskonzeptes mit Vorortversickerung und Regenwassernutzung wesentlich geringer ausfallen, als bei konventionellen Maßnahmen mit Kanalbau. Im Vergleich zu einer geplanten Kanalerneuerung mit 4.440.000 DM kostete die ökologische Variante nur 1.520.000 DM, also rund 66 % weniger. Folglich fallen dann auch die Abwassergebühren geringer aus. Aus diesem Ergebnis muss die Forderung abgeleitet werden, dass Kommunen bei Kanalbaumaßnahmen grundsätzlich verpflichtet werden, auch die ökologische Alternative zu prüfen und diese dann selbst bei gleichen Kosten den Vorrang haben müsste, weil sie dem Grundsatz der Nachhaltigkeit folgt.

Damit die ökologischen Alternativen bei Entwässerungskonzepten mit dezentralen Lösungen unter Einbeziehung der Haushalte und Unternehmen verbessert werden, ist es erforderlich, dass die Kommunen berechtigt sind, bis zu 5 % der jährlichen Abwasserkosten für Maßnahmen der Beratung und Förderung der Trinkwassereinsparung, der Regen- und Grauwassernutzung, der Regenwasserrückhaltung, der Entsiegelung, der Verminderung der Abwasserbelastung und zur Förderung von Maßnahmen der Fremdwasserrückhaltung (Anlage von Rigolen und Hecken etc.), sowie der Renaturierung von Gewässern über die Abwassergebühren auf die Haushalte umzulegen. Langfristig wird diese Umsetzung nach dem Grundsatz der Nachhaltigkeit die Volkswirtschaft und die Bürger finanziell entlasten, ganz abgesehen von den damit verbundenen ökologischen Effekten zur Erhaltung von Lebensräumen für eine vielfältige Tier- und Pflanzenwelt. Auch Gebührenpolitik ist Umweltpolitik.

Das Gutachten von Professor Dr. Norbert Heldermann, Lemgo mit dem Titel:

Akzeptanz der Berechnung der Niederschlagswasserbeseitigungskosten nach dem Frischwassermaßstab und Anreize zum sorgsamen Umgang mit Trinkwasser

stellen wir als Download zur Verfügung:

/download/gutachten_abwassergebuehr_heldermann.pdf

 

Gesetzesentwurf zur gesplitteten Abwassergebühr - Anhörung im Landtag NRW

Am 12. März 2007 fand im Landtag in NRW eine Anhörung zu einer Gesetzesinitiative von Bündnis 90/Die Grünen statt. Mit dem Gesetzesantrag sollte die gesplittete Abwassergebühr eingeführt werden. In der Anhörung stellte Dr. Queitsch als Vertreter der kommunalen Spitzenverbände in NRW zum Thema einheitliche Bebauungsstruktur mit Bezug auf neuere Gerichtsentscheidungen des OVG Münsters erstmals fest: "Ich wüsste nicht, auch nicht bei kleineren Kommunen, wer noch eine einheitliche Siedlungsstruktur hat, es sein denn, man reißt die Kirche und das Rathaus ab, damit man in eine gleiche Größenklasse kommt. Das ist mittlerweile so eng zusammengeschnürt worden, dass keine Kommune in Nordrhein-Westfalen mehr eine einheitliche Bebauungsstruktur hat. ....Ich gehe davon aus, dass das Oberverwaltungsgericht noch in diesem Jahr, wenn das VG Aachen bestätigt wird, sagen wird: Der Frischwassermaßstab kann nicht mehr als Einheitsgebührenmaßstab herangezogen werden. - Das wird wahrscheinlich so kommen. Das gesamte Ausschussprotokoll der Landtagsanhörung stellen wir als Download zur Verfügung:

Ausschussprotokoll der Landtagsanhörung

Umfrage zur gesplitteten Abwassergebühr

Um einmal die Anteile der versiegelten Flächen zu erfahren und die Kostenverteilung zwischen Niederschlagswasserentsorgung und Schmutzwasserentsorgung haben wir in den Kommunen in NRW eine Umfrage gestartet. Es können sich aber alle Kommunen beteiligen, die bereits die gesplittete Abwassergebühr eingeführt haben. Die Umfrage stellen wir als Downlowd zur Verfügung:

umfrage_kostenanteile_abwassergebuehren_2007.pdf